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Mein schönstes Erlebnis heute

Dr. Wolfgang Klein


 

Mein schönstes Erlebnis heute

 

Im Sommer 2001 waren wir mit Berni (8) und Dantin (6) zwei Wochen in Zinnowitz. Als sich die nachfolgend erzählte Episode ereignete, hatten wir Besuch von Tante Gerda Bodenstein (Patentante meiner Frau) und deren Freundin Lore Heidelberg.

An der See weht oft ein manchmal auch sehr kräftiger Wind. Der schöne und breite Sandstrand von Zinnowitz war – im Gegensatz zu der Zeit meiner Kindheit – so aufgeteilt, daß die Gäste sich mit ihren Strandkörben in stillschweigendem Übereinkommen zur Düne hin niederließen und so ein 12 bis 15 m breiter Streifen am Wasser frei blieb. Hier konnte man nach Herzenslust toben. Anders im Bereich der relativ dicht stehenden Strandkörbe. Hier war Rücksichtnahme geboten. Die beiden Jungen buddelten in der unmittelbaren Nähe unseres Strandkorbes im herrlichen, feinen, weißen Sand und bauten allerlei fantastische Anlagen. Berni warf in regelmäßigen, kürzeren Abständen – gewissermaßen zur Abwechslung - eine Hand voll Sandes senkrecht hoch in die Luft mit der Folge, daß der kräftige Wind den Sand in Richtung auf den benachbarten Strandkorb trieb, dessen Insassen sich zwar noch nicht beschwert hatten, wozu wir es aber tunlichst auch gar nicht erst kommen lassen wollten. Also wurde Berni auf die mögliche Belästigung der Nachbarn hingewiesen und gebeten, die Sandwerferei doch einzustellen,  was er nicht wollte, weil eben gerade die ihm ein so großes Vergnügen bereite. Daraufhin wurde ihm vorgeschlagen, sein Vergnügen auf den freien Strandstreifen in Wassernähe zu verlegen, wo er niemanden belästigen würde. Auch das lehnte er ab. Begründung: “Ich will ja bei Euch, in Eurer Nähe sein.” Solche Begründung rührt zwar an, konnte unter den gegebenen Umständen jedoch nicht akzeptiert werden. So ergab ein Wort noch ein bißchen das andere, bis Opa schließlich aufstand. Berni schloß zutreffend, daß es nunmehr Ernst werde, sprang auf und rannte davon in Richtung Wasser. Ich hinterher, fiel mit meiner neuen Hüfte erst einmal lang hin, in dem weichen Sand weiter kein Problem, erwischte ihn schließlich aber doch. Mangels Handschellen wurde er mit festem Griff arretiert und los ging’s Richtung Hotel, das gleich hinter  den Dünen lag. “Opa, was machst Du denn jetzt mit mir ?” kam die nach dem Tonfall nicht ganz frei von Bedenken gestellte Frage. Ich antwortete: “Nichts. Wir gehen jetzt rein.” “Warum?”.  “Weil Du nicht hören konntest.”

Ich wollte am nächsten Tag Tante Gerda und ihre Freundin mit dem Auto nach Stralsund bringen, weil sie dort einen nach Bremen durchgehenden Zug erreichen konnten. Also setzte ich mich in den schönen, großen Wintergarten unseres komfortablen Appartements im Hotel Asgard, vertiefte mich in den Shell-Atlas und machte ein paar Notizen zur morgigen Fahrtroute. Den kleinen Berni strafte ich mit totaler Ignoranz, was ihn sichtlich irritierte. Nach ca. 30 bis 40 Minuten absoluten Schweigens merkte ich, wie er zunehmend näher um mich herumstreifte, offensichtlich um Kontaktaufnahme bemüht. Ich dachte: Jetzt ist er wohl langsam reif, versuch’s mal. Also packte ich meine Sachen zusammen und wandte mich ihm zu. Wir rekapitulierten zunächst den Vorgang, der unsere Meinungsverschiedenheit ausgelöst hatte, wobei Berni seine bereits dargelegten Argumente wiederholte. Ich legte dar, daß Sandhochwerfen in unserer Nähe zur Belästigung der Nachbarn führen mußte und, um diese zu vermeiden, er entweder auf unsere Nähe oder auf das Sandhochwerfen hätte verzichten müssen. Man könne nicht einfach machen, was man wolle. Das ginge eigentlich nur dann, wenn eigenes Verhalten keinerlei Auswirkungen auf andere Menschen hätte. Das aber sei nur sehr selten der Fall. Meist hingegen wirke das eigene Tun und Lassen sehr wohl und oft genug sogar erheblich auf andere ein. Und außerdem sei ja da nun auch noch die Sache mit dem Gehorsam, den jeder Mensch in einem angemessenen Umfang erlernen müsse. Wer nicht als Kind zu Hause darin unterwiesen werde, bei dem würde später von Fremden, meist in weniger freundlicher Form die Unterweisung nachgeholt. Jedenfalls könne es nicht sein, daß jeder einfach mache, was er wolle. Er möge doch einmal daran denken, was in solchem Fall in der Schule los wäre. Niemand käme umhin, da und dort eine Weisung entgegen zu nehmen. Er möge sich doch einmal fragen, was geschähe, wenn sein Papa im Flugzeugbau einem nachgeordneten Mitarbeiter eine Weisung erteile, und der antworte: “Nein, das mache ich nicht” ?? Ich erläuterte, daß im Arbeitsleben auf solches Verhalten eine Abmahnung folge und im Wiederholungsfall der betreffende rausgeworfen werden würde. Oder: Auf dem Operationstisch liegt der Patient mit aufgeschnittenem Bauch, der operierende Arzt erteilt einem der assistierenden Ärzte die Weisung, dieses oder jenes zu machen und der sagt: “Nein, mache ich nicht”. Daß solches Verhalten Gesundheit und Leben des Patienten gefährden kann, liegt auf der Hand und wäre im Schadensfall sogar eine Straftat. Er wisse ja auch, daß ich im letzten Krieg Soldat war und im Kriege sei Disziplinlosigkeit unter Umständen für viele lebensgefährlich. Eine Befehlsverweigerung vor dem Feind kann deshalb die sofortige Erschießung durch den Vorgesetzten zur Folge haben ! Ob ihm denn angesichts all dessen seine “Sandwerferei” nicht ein bißchen lächerlich vorkomme ? --- Ich hatte einen ganz lieben Enkel vor mir. Es kam noch etwas zögernd, aber es kam: “Opa, Du hast Recht.”

Beim Abendessen im Restaurant. Wir hatten – wenn ich mich richtig erinnere – gerade den Nachtisch bestellt, als meine Frau vorschlug, jeder möge sein schönstes Erlebnis vom heutigen Tage erzählen. Es sollte im Uhrzeigersinn um den Tisch gehen. Daraus ergab sich die Reihenfolge Omi, Tante Gerda, Frau Heidelberg, Konstantin, Berni, Opa. Ich dachte bei mir, was erzählst du blos ? Und dann kam mir der Einfall. Ich werde sagen: Das schönste heute war mein Gespräch mit Berni ! Es ging die Reihe rum. Der eine erzählte dies, der andere jenes. Den Inhalt der Berichte habe ich vergessen. Und dann kam mein Enkel Berni dran. Omi fragte: “Na, Berni, und was war Dein schönstes Erlebnis heute ?” Mit strahlenden Augen sagte er: “Das Gespräch mit Opa !”  Mir blieb nur übrig, die Anwesenden zu bitten, mir zu glauben, daß meine Antwort “Mein Gespräch mit Berni” hatte lauten sollen. 

 

W.K. März 2005

**Für Bernis Eltern Drs. Karola und Martin Kraus

 

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